
14 – Hypo- und Hypernatriämie
Hyponatriämien und Hypernatriämien können klinisch oft komplexer sein, als es den ersten Eindruck hat. Beide Diagnosen sind DRG-relevant (haben einen CCL-Wert), und werden daher abrechnungstechnisch öfters diskutiert. Daher ist es für die Klinik wichtig, in der Diagnosestellung sattelfest zu sein, nicht nur bezüglich des Patientenmanagements[1].
Regulierung des Natrium- und Wasserhaushaltes
Natrium ist ein Mineralstoff, das den Körper in relativ grossen Mengen benötigt. Es ist elektrisch geladen, wenn es in Körperflüssigkeiten aufgelöst ist. Es spielt eine wichtige Rolle bei der normalen Funktion von Nerven und Muskeln.[2] Der Natriumhaushalt ist eng mit dem Wasserhaushalt verknüpft. Wasser wird über ADH und Vasopressin reguliert, bei hoher Osmolarität und Hypovolämie wird Durst ausgelöst. Natrium wird über RAAS und natriuretische Peptide reguliert. Es spielen Hypophyse, Hypothalamus, Nebennierenrinde, Nieren, Herz, Leber und Blut zusammen.
--> Natrium = fH2O (ADH / Vasopressin)
--> Die Schwelle zur ADH-Sekretion liegt bei 280 mosmol/l - Durstgefühl folgt ab 290 mosmol/l
--> Die Wasserrückresorption erfolgt über Aquaporine im distalen Tubulus.
Hyponatriämie
Definition: <135 mmol/l (mild bis 125 mmol/l (15-30%), schwer unter 125 mmol/l (2-5%))
Die Diagnostische Zuverlässigkeit hängt von Erfahrung, klinischer Untersuchung, Volumenstatus, Diuretika und Urin-Na ab
Assoziiert mit:
- Verlängerter Hospitalisationsdauer
- Morbidität
- Mortalität
Symptome: entstehen durch osmotisches Zellödem zerebral
Akut (<48h): | Chronisch (>48h): |
|
|
Pathomechanismus
Pathomechanismus | Differenzialdiagnose |
Exzessive Zufuhr von freiem Wasser |
|
Reduktion des effektiven zirkulierenden Plasmavolumens | Mit Hypervolämie:
Mit Hypovolämie:
|
Inadäquate ADH-Sekretion |
|
Tabelle der Pathomechanismen der Hyponatriämie[3]
Ursachen schwerer Hyponatriämien: 21% Thiazide, 5% andere Diuretika, 11% Kleinzelliges Bronchus-CA, 6% andere metastasierende Tumoren, 5% Antidepressiva, 5% andere Medikamente wie z.B. NSAID, 9% Hypovolämie, 9% Alkohol Bier Potomanie, 6% Leberzirrhose, 5% Hyperglykämie, 5% Herzinsuffizienz, 5% Pneumonie
Therapie
Schwere Symptomatik --> immer NaCl 3% 100ml i.v. und IPS
Therapie der Ursache!
Allgemeines Prozedere:
- Engmaschige Natrium-Kontrollen
- Maximale Korrekturrate 10 mmol/24h oder 18 mmol / 48h (Gefahr der osmotischen Demyelinisierung)
- Reevaluation mit Anpassung von Diagnose und Therapie gemäss Veränderung des Natriumspiegels (Na-Abfall unter Infusion 0.9% NaCl: DD SIADH, fehlender Na-Anstieg unter Flüssigkeitsrestriktion: DD hypovoläme Hyponatriämie)
- SIADH
- Flüssigkeitsrestriktion (500ml/d < UrinVol/d)
- Alternativ: Urea-Tbl. (15-60g/d), Vaptane, Schleifendiuretika
- Hypervolämie
- Flüssigkeitsrestriktion 500ml/d
- Schleifendiuretika
- Hypovolämie
- NaCl 0.9% 2-3L/d
Aufwände Hyponatriämie (speziell für die Kodierung)
- Diagnostischer Aufwand
- Labor Serum: Na, Osm., Krea, Harnstoff, BZ, evtl. TSH, Cortisol, NTproBNP
- Labor Urin: Na, Osm, (Krea, Harnstoff, Harnsäure)
- evtl. Bildgebung (Rx/CT/Sono/TTE)
- Pflegerischer Aufwand
- Trinkmenge/Urinmenge - Bilanz
- Gewicht
- Engmaschige Blutentnahmen (Na)
- Therapeutischer Aufwand
- Flüssigkeitsrestriktion
- NaCl 0.9% / 3%, (Bouillon)
- Urea-Tbl, Vaptane
- Stopp auslösende Medikamente / Noxen
- Schleifendiuretika
- Aszites/Pleurapunktion, Chemotherapie, Hormonsubstitution
Hypernatriämie
Definition: >145 mmol/l
Prävalenz: seltener als Hyponatriämie. Risikopopulation: Kinder, ältere Personen, Patienten mit Bewusstseinsalteration, intubierte Patienten.
Assoziiert mit erhöhter Morbidität und Mortalität
Diagnostik: Hypertone Hypernatriämie, Urinosmolarität, Volumenstatus
Aetiologie:
- Fehlender Durstreflex
- Unvermögen eigenständige Wasseraufnahme
- Hypernatriämie als Zeichen:
- eines Volumen(Wasser-)mangels
- eines ADH-Mangels (Diabetes insipidus)
- bei hyperosmolarer Diabetes mellitus-Entgleisung
- bei Überdiuretisierung
Pathomechanismus
Verlust von freiem Wasser | Salzüberladung | ||
Gastro-intestinaler Wasser-verlust |
| Hypertone NaCl- oder NaHCO3-Infusionen |
|
Renaler Wasser-verlust |
| Primärer Hyper-aldostero-nismus | Selten klinisch relevant |
Perspiratio insesibilis |
| Cushing-Syndrom | Selten klinisch relevant |
Hypothala-mische Störungen |
|
|
|
Wasser-verlust in die Muskel-zellen |
|
|
|
Tabelle über den Pathomechanismus der Hypernatriämie[4]
Symptome
--> durch osmotisches Zellschrumpfung zerebral --> Venenruptur --> zerebrale Blutungen
Akut (<48h): | Chronisch (>48h): |
|
|
Therapie
- Allgemeine Massnahmen
- Therapie der Ursache
- Engmaschige Na-Kontrolle (2-4-stdl.)
- Korrektur max. 12mmol/24h (cave. Hirnödem)
- Akut: max. 1mmol/h Diabetes insipidus (zentral/renal*)
- Diabetes insipidus (zentral/renal*)
- Flüssigkeitssubstitution (p.o., i.v.)
- Vasopressin
- *Thiazide/Amilorid, ggf. Vasopressin
- Hypo-/Eu-/Hypervolämie
- Glucose 5% i.v.
- MedCalc
Aufwände Hypernatriämie (speziell für die Kodierung)
- Diagnostischer Aufwand
- Labor Serum: Na, K, Osm, Krea, Harnstoff, BZ, BGA
- Labor Urin: Na, Osm, Cl, Krea, Harnstoff, Harnsäure
- evtl. Bildgebung/EEG/Konsilien (cCT/cMRI)
- Pflegerischer Aufwand
- Trinkmenge/Urinmenge - Bilanz
- Gewicht
- Neurologische Überwachung (GCS)
- Engmaschige Blutentnahmen (Na)
- Therapeutischer Aufwand
- p.o. Flüssigkeitssubstitution
- i.v. Glucose 5%
- Vasopressin (zentraler DI), Thiazide/Amilord (renaler DI)
Weiterführende Literatur:
- Schmidt, Lang, Heckmann. Physiologie des Menschen, mit Pathophysiologie. 31. Auflage, Springer-Lehrbuch
- Spasovski G et al. Clinical practice guideline on diagnosis and treatment of hyponatraemia. Eur J Endocrinol 2014;170:G1-47
- Kylies D, Wenzel U. Hyponatriämie – Diagnose und Therapie. Dtsch Med Wochenschr 2020;145:1573-1579
- Fenske et al. Limitations of the Diagnostic Algorithms to Hyponatremia. Am J Med 2010;123:652-657
- medStandards
- Horacio J. et al. Hypernatremia. NEJM 2000;342:1493-1399
[1] Siehe auch Schweizer Studie für positivem Outcome beim Patientenmanagement Diagnostic Workup and Outcome in Patients with Profound Hyponatremia
[2] Mehr zur Pathophysiologie und zum Thema: Überblick über die Funktion von Natrium im Körper - Hormon- und Stoffwechselerkrankungen - MSD Manual Ausgabe für Patienten
[3] Adaptiert nach Kylies D, Wenzel U. Hyponatriämie – Diagnose und Therapie. Dtsch Med Wochenschr 2020;145:1573-1579
[4] Abgewandelt von medStandards