ThemenSwissDRG - Blog05 - Delir im SwissDRG-System

Delir im SwissDRG-System

Am 13. März ist der World Delirium Awareness Day[1], welcher zur Sensibilisierung dieses Krankheitsbildes jährlich beachtet wird. In diesem Rahmen wurde dieses Thema in den DRG-Blog aufgenommen. Das Delir ist nicht nur klinisch, sondern auch DRG-relevant.

Das Delir ist eine häufige und potenziell schwerwiegende Erkrankung, die vor allem ältere, gebrechliche, kranke und kognitiv beeinträchtige Menschen treffen kann. Dieser Zustand von akuter Verwirrtheit kann lebensbedrohend sein und muss daher erkannt werden. Dies kann klinisch schwierig sein, weshalb die SGAIM empfiehlt, in jeder Klinik ein interprofessionelles Delir-Konzept zu etablieren[2]. Standardisiert und mit regelmässigen Schulungen fördert man die Diagnosestellung und adäquate und Massnahmen und Therapien.

Weshalb der Weg zur Diagnosestellung hervorgehoben wird, ist die Tatsache, dass in vielen Schweizer Spitälern die erfasste Delir-Rate tiefer liegt als die erwartete Inzidenz (siehe auch Artikel bei weiterführender Literatur unten). Nach aktuellen Zahlen werden nur bei rund 6% aller medizinischen Patienten ein Delir dokumentiert. Bei Patienten über 65 Jahre sind es durchschnittlich 7%, was weit unter der erwarteten Inzidenz liegt. Selbst bei spezifischen DRGs wie Akutgeriatrie wird nur eine durchschnittliche Delirrate von 20% ausgewiesen.
 

Unterscheidung Delir, Depression und Demenz

 

Ob demente Patienten ein Delir haben oder nicht, ist häufig schwierig zu unterscheiden. Die Auflistung von charakteristischen Merkmalen kann somit helfen.

 

Delir

Depression

Demenz

Beginn

Abrupt

Innerhalb Wochen

Schleichend

Dauer

Stunden/Wochen

Monate

Jahre

Wachheit

Fluktuierend

Normal

Normal

Orientierung

Wechselnd

„ich weiss nicht“

Knapp daneben

Stimmung

Variabel

Gedrückt

Labil

Tagesschwankungen

Oft nachts

Oft morgens tief

Oft abends schlechter

Tabelle: Differenzialdiagnose Delir, Depression, Demenz[3]

Hat ein dementer Patient im Akutspital „einen schlechten Tag“, so kann dies darauf hinweisen, dass sich nebst der Demenz ein Delir entwickelt hat („fluktuierend“, „wechselnd“).
 

DRG-relevante Delir-Diagnosen

 

Da das Delir assoziiert ist mit therapeutischem und pflegerischem Mehraufwand, weisen spezifische Delir-Diagnosen einen CCL-Wert auf (siehe Blog 02). Delire werden im ICD-Katalog nicht nach hypo- und hyperaktiv unterschieden, sondern anhand der Aetiologie. Das heisst, Delir im Rahmen eines Entzugssyndroms, bei Demenz oder postoperativ können dargestellt werden. Daher ist es wichtig, die wahrscheinlichen Herkünfte zu beschreiben, v.a. wenn verschiede Aetiologien wahrscheinlich sind (diese dürfen alle einzeln erfasst werden).

 

Kodierbeispiel

 

Ein Patient wurde mit dekompensierter biventrikulärer Herzinsuffizienz eingeliefert. Während dem stationären Aufenthalt wurden ein Dekubitus, eine Mangelernährung und ein E. Coli-Harnwegsinfekt diagnostiziert und behandelt. Im Rahmen des HWIs entwickelte der Patient ein Delir, welches mit Orientierungsmassnahmen und Beruhigungsmittel behandelt wurde.

HD         I50.14                   Linksherzinsuffizienz NYHA IV
ND         I50.01                   Sekundäre Rechtsherzinsuffizienz
ND         E87.1                    Hyponatriämie                                                         CCL 2
ND         E44.0                    Mässige Energie- und Eiweissmangelernährung     CCL 2
ND         N39.0                    HWI
ND         B96.2!                   E. coli                                                                     CCL 3
ND         F05.8                    Sonstiges Delir                                                        CCL 3

 

 

Fall wie kodiert

Fall ohne F05.8

DRG

F62B

Herzinsuffizienz und Schock mit äusserst schweren CC oder bestimmter Prozedur oder Evaluation zur Herztransplantation

F62C

Herzinsuffizienz und Schock mit schweren CC

CW

1.733

1.243

Erlös mit BS 10‘000 Fr

17‘330 Fr

12‘430 Fr


Fall ohne Kodierung des Delirs: Differenz von 4'990 Fr.

 

Beachte:

  • Ein Delir in der Nebendiagnose ist nicht immer DRG-relevant, hat aber meistens einen CCL-Wert und kann deshalb häufig den DRG beeinflussen.
  • Besonders bei multimorbiden Patienten ist es wichtig, anhand der medizinischen Dokumentation abschätzen zu können, welche Diagnosen welchen Aufwand generiert haben, um so die Diagnose mit dem grössten medizinischen Aufwand zu identifizieren.
  • Die Aetiologie, Relationen und Abläufe sind für die Kodierung wichtig. Die Kodierregel „Erkrankungen/Störungen nach medizinischen Massnahmen/Komplikationen“ weist darauf hin, dass das ursprüngliche Krankheitsbild als Hauptdiagnose fungiert, auch wenn Komplikationen mehr Aufwände generierten. Die Zusammenhänge müssen jedoch als solche beschrieben werden. Wenn die Zusammenhänge unklar sind, oder multifaktoriell nicht klar zusammenhängend, so ist dies auch zu beschreiben.
  • Anmerkung: Wird zusätzlich eine Demenz diagnostiziert, soll auch diese so genau wie möglich beschrieben werden (zB vaskulär, Alzheimer, etc).
     

 

Weiterführende Literatur:

 

Für Interessierte:

 

Die Kodierer können folgende Diagnosen im ICD-10-Katalog wählen (Auszug ICD-10):

 

F05.-Delir, nicht durch Alkohol oder andere psychotrope Substanzen bedingt

Ein ätiologisch unspezifisches hirnorganisches Syndrom, das charakterisiert ist durch gleichzeitig bestehende Störungen des Bewusstseins einerseits und mindestens zwei der nachfolgend genannten Störungen andererseits: Störungen der Aufmerksamkeit, der Wahrnehmung, des Denkens, des Gedächtnisses, der Psychomotorik, der Emotionalität oder des Schlaf-Wach-Rhythmus. Die Dauer ist sehr unterschiedlich und der Schweregrad reicht von leicht bis zu sehr schwer.

Inkl.:

Akut oder subakut:

  • exogener Reaktionstyp
  • hirnorganisches Syndrom
  • psychoorganisches Syndrom
  • Psychose bei Infektionskrankheit
  • Verwirrtheitszustand (nicht alkoholbedingt)

F05.0 Delir ohne Demenz

F05.1 Delir bei Demenz

F05.8 Sonstige Formen des Delirs

Delir mit gemischter Ätiologie

Postoperatives Delir

 

F10-19 Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen (Alkohol, Opioide, Cannabinoide, Sedativa oder Hypnotika, Kokain, andere Stimulanzien einschliesslich Koffein, Halluzinogene, Tabak, flüchtige Lösungsmittel, multiplen Substanzgebrauch und Konsum andere psychotroper Substanzen)

.4

Entzugssyndrom mit Delir

Ein Zustandsbild, bei dem das Entzugssyndrom durch ein Delir kompliziert wird. Symptomatische Krampfanfälle können ebenfalls auftreten. Wenn organische Faktoren eine beträchtliche Rolle in der Ätiologie spielen, sollte das Zustandsbild unter F05.8 klassifiziert werden.

Delirium tremens (alkoholbedingt)

 

[1] https://www.deliriumday.com/ 

[2] https://www.sgaim.ch/de/themen/qualitaet/guidelines

[3] PZM Magazin Psychiatriezentrum Münsingen AG – Broschüre Demenzstation 2021 

Download als PDF